Katharina Manojlovic

Spektakuläre Pflanzen. Käthe Hager von Strobele: Growing in the Dark

Photography, Publications | Feb 2024

In: EIKON. Internationale Zeitschrift für Photographie und Medienkunst 125 (2024), S. 22–25, anlässlich der Ausstellung „Growing in the Dark“ im EIKON Schauraum, Museumsquartier Wien, 21. 2. – 12. 5. 2024, in Kooperation mit Klima Biennale Wien

Zimmerpflanzen zu pflegen, zu arrangieren und ins richtige Licht zu setzen, ist (wieder) en vogue, ihre Blätter auf Hochglanz zu polieren, längst nicht mehr bieder. Webseiten, auf denen sie gehandelt werden, versprechen, dass unser Leben mit ihnen „wild“ und „schön“ werde. Was die Pflanzen uns bedeuten, ob wir sie als Schützlinge betrachten wollen oder doch lieber als Wohndekor, ist nicht abschließend geklärt. In Sachen Care Work stellen sie jedenfalls eine vergleichsweise einfache Übung dar: Gedeihen oder gefallen sie einmal nicht, lassen sie sich mehr oder weniger problemlos entsorgen. Auf Social-Media-Kanälen werden sie zur Schau gestellt und hinsichtlich ihrer Fotogenität bewertet. Je spektakulärer und bunter, desto begehrenswerter. Waren es in den Fotografien bürgerlicher Salons der Jahrhundertwende bevorzugt Zimmerpalmen, die zur inszenierten Mondänität beitragen sollten, sind es aktuell die kontrastreichen Musterungen, Punkte und Streifen von Begonia Maculata und Maranta leuconeura, die alle Blicke auf sich ziehen.

Seit jeher bilden Pflanzen ein beliebtes Sujet fotografischer Stillleben. In den Arbeiten Käthe Hager von Strobeles aktualisieren sich die Möglichkeiten dieses Genres insbesondere dadurch, dass die gezeigten Arrangements zunächst mehr Fragen aufwerfen als sie beantworten: Dass sich in den interieurartigen Bildräumen „Präsenz [entfaltet]“, hat wesentlich damit zu tun, dass in ihnen Objekte zusammenkommen, deren Kombination befremdlich anmutet. Das irritiert unser Sehen und verlangsamt es gewissermaßen.[1] So gehen in der Werkserie Nemozyten (2022) Pflanzen Verbindungen mit Kleidungsstücken ein und wirken dadurch mitunter anthropomorph. Für die Serien Ikebana Popstars (2022) und Hauntology (2022) arrangierte von Strobele Topfpflanzen mit Objekten des Alltags und seinen Versatzstücken: In den Dingen drückt sich aus, was wir begehren – und was uns daheim verfolgt. Untersucht werden dabei jene „subjekthaften Spuren, welche sich als kulturelle Muster in der Züchtung von Zimmerpflanzen wiederfinden“ (von Strobele). Dem Phänomen der Zimmerpflanze als ikonischem Objekt widmet sich auch die Serie Kiss My Plants (2022).

Käthe Hager von Strobeles Fotoserien rekurrieren auf vielfältige Weise auf aktuelle Diskurse um die Kultivierung von Pflanzen, ihre Kolonisierung und Exotisierung, ihr Dasein als Fetisch und Ware. In der Serie Planted Models bahnen sich Pflanzen ihren Weg durch Tapetenstücke, lugen hinter Wandpaneelen hervor oder schmiegen sich an den Faltenwurf eines Vorhangs. Dieses collagenhafte Arrangement von reinszenierten Pflanzenfotos und lebenden Pflanzen zu phantastischen Räumen erzeugt ein Verwirrspiel der Bildebenen, Sujets und Trägermaterialien. Auch in der Serie Gel Plants (2023) werden gemeinsam mit den Pflanzen die materiellen Eigenschaften der Fotografie ins Licht gerückt. Reinszenierte Pflanzenbilder aus Fotobüchern der 1970er Jahre zeigen Zimmerpflanzen, die zu Darstellungszwecken – und um auf die jeweiligen Lebensräume der (nachtaktiven) Porträtierten anzuspielen – vor schwarzem Hintergrund abgebildet wurden. Mit Gelatine überzogen und gehärtet, fügen sich die reproduzierten Bildausschnitte zusammen mit Vasen, Fotopapieren und Wohntextilien zu raumgreifenden Skulpturen, deren eigentümliche Wirkung uns in ihren Bann zieht: Die Pflanzen darin wirken so lebendig wie tot, aggressiv und zugerichtet, natürlich und künstlich gleichermaßen. Als eine der wichtigsten Substanzen in fotografischen Emulsionen verweist die Gelatine selbst auf die Fotografie und ihre Verfahren. Die Darstellerinnen der Gel Plants vollziehen eine Annäherung an das fotografische Medium, die an Mimikry erinnert.

Dass die Art und Weise, wie wir mit Pflanzen umgehen, vor allem etwas über uns selbst erzählt, über unsere eigenen Zustände, versinnbildlicht die Serie Growing in the Dark (2023) schon im Titel. Was in den Bildern irritiert, nicht einordenbar ist, Unbehagen erzeugt, lässt sich auf psychische Zustände übertragen: Im Wuchern der Pflanzen bahnt sich ein Unbewusstes seinen Weg, das sonst im Dunkeln bleibt. Die vegetabilen Stillleben Käthe Hager von Strobeles Arbeiten lassen Denkräume insofern entstehen, als sie mit unseren Erwartungen spielen, in ihnen eindeutige Zuordnungen von Signifikat und Signifikant außer Kraft gesetzt werden und die Pflanzen als subjekthafte Akteurinnen in Erscheinung treten können. In der Bewegung unserer Blicke werden sie lebendig.

Katharina Manojlovic

[1] vgl. Maren Lübbke-Tidow: Eigensinn der Dinge, Bilder, Fotografie. Stillleben in künstlerischen Konzepten der Gegenwart. In: KUNST HAUS WIEN, Bettina Leidl, Maren Lübbke-Tidow (Hg.): Eigensinn der Dinge. Stillleben in fotografischen Konzepten der Gegenwart. Spector Books 2018, S. 225

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